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Gallensteinleiden (Gallensteine, Cholelithiasis, Cholangitis, Gallenwegsentzündung, Gallenentzündung)

Einleitung

Die Behandlung des Gallensteinleidens verzeichnet seine ersten erfolgreichen chirurgischen Anfänge im Jahr 1882, verbunden mit dem Namen des Chirurgen Karl Langenbuch. Ihm gelang erstmalig die operative Entfernung der Gallenblase.

Das Gallensteinleiden ist ein Beispiel dafür, wie die moderne technische Entwicklung ( sognannte „Schlüssellochchirurgie“) zwar den Operationszugang immer weiter minimieren und damit die Beeinträchtigung des Patienten durch die chirurgische Therapie wesentlich reduzieren konnte – was im Wesentlichen geblieben ist: Die Gallenblase muss dennoch entfernt werden.

In Deutschland werden pro Jahr mehr als 190.000 Gallenblasenoperationen (Gallenblasenentfernung=Cholezystektomie) durchgeführt.

In diesem Rahmen ist zu erwähnen, dass die Gallensteine häufig die Grundlage für Entzündungen liefert. Und ein Weiteres: Die Steine in der Gallenblase behandelt der Chirurg, die Steine im Gallengang routinemäßig ein spezialisierter Endoskopiker – nur in seltenen Fällen kommt es bei Gallengangssteinen dennoch zur Operation.

Definitionen – Was ist „die Galle“?

Der normale Sprachgebrauch ist hier sehr undeutlich. Wenn von „der Galle“ gesprochen wird, kann gemeint sein:

  • Die Galleflüssigkeit: diese wird permanent von der Leber gebildet, sie enthält u.a. Gallensäuren mit typisch grüngelben Gallenfarbstoffen und Cholesterin. Diese gehaltvolle Flüssigkeit sammelt sich in den ableitenden Gallenwegen. Diese münden mit ihrem Hauptgang im Zwölffingerdarm. Benötigt wird sie für die Fettverdauung.
  • Die Gallenblase: dieses blindsackartige Organ mündet in den Hauptgallengang und speichert Galleflüssigkeit für Zeiten des vermehrten Bedarfes. Zur Entleerung gereizt wird die Gallenblase durch Mahlzeiten, die Sahne, fetthaltiges Gebratenes und z. B. Eigelb. Die Speicherfunktion kann bei Verlust der Gallenblase auch durch den Gallengang geleistet werden.

Ursachen der Gallensteinbildung ?

Die Ursachen der Gallensteinentstehung sind nicht eindeutig. Es gibt mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen können:

  • Ernährungsformen mit hohem Fett- und Fleischanteil (Mitteleuropa, Nordamerika)
  • Vererbliche Komponente
  • Häufigeres Auftreten bei Frauen, über 40 Jahre alt, nach mehreren Geburten
  • Cholesterinsteine können entstehen durch eine Übersättigung der Galleflüssigkeit mit Cholesterin, dann kommt es zur Ausfällung von Kristallen, die dann langsam zu Steinen ganz unterschiedlicher Größe, Form und Farbe heranwachsen. Auch Verkalkungen können auftreten
  • Chronische Wandentzündungen sind einerseits Folge, andererseits auch Ursache der Steinentstehung

Symptome – Gallensteinleiden

Die Ausprägung der verschiedenartigen Symptome eines Gallensteinleidens hat unterschiedlichen Krankheitswert. Zu unterscheiden sind:

  • Asymptomatische Gallensteine: Zufällig festgestellte Gallensteine bei einer Routineuntersuchung mit Ultraschall.
  • Gallenkolik: krampfartig wellenförmige Schmerzen im Oberbauch, die bis in den Rücken oder unter das rechte Schulterblatt ziehen, evtl. in Verbindung mit Erbrechen. Anhalten der Beschwerden von wenigen Minuten bis zu vielen Stunden.
  • Entzündliche Erkrankungen:
    • Akute Gallenblasenentzündung(akute Cholezystitis): Auftreten von meist dumpfem Dauerschmerz, vom rechten Oberbauch in verschiedene Richtungen ausstrahlend. Dabei kann Fieber Auftreten. Hervorgerufen wird die Situation meist durch einen Stein, der sich am Gallenblasenausgang festsetzt und die Entleerung behindert. Dabei wird durch Überdehnung die Gallenblasenwand schlechter durchblutet, Bakterien können nun auf die Gallenblasenwand einwirken. Folgen können eine Gangrän, Abszessbildung und Bauchfellentzündung sein.
    • Chronische Gallenblasenentzündung (chronische Cholezystitis): In der Regel verursachen auch hier Steine Schübe von Entzündungen mit wiederkehrenden unspezifischen Beschwerden.
    • Gallengangsentzündung (Cholangitis): Hierbei treten Fieberschübe auf in Verbindung mit Zeichen einer Abflussstörung der Galle. Der Rückstau der Galle in die Leber kann Zeichen einer Gelbsucht bewirken mit Gelbfärbung der Haut, der Skleren und Dunkelfärbung des Urins. Dagegen äußert sich die fehlende Galle im Stuhl durch Entfärbung (zementgrau). Die Ursache des Gallerückstaus (Verschlussikterus) kann verschiedene Ursachen haben:
      • Steine im Gallengang (Choledocholithiasis): gerade kleine Gallensteine können über den Verbindungsgang den Hauptgallengang erreichen, können aber den kleinen Schließmuskel (Papille) zum Zwölffingerdarm nicht passieren.
      • Vernarbung des Schließmuskels (Papillensklerose): wiederholte Steinpassagen können zu einiger narbigen Verengung führen.
      • Geschwulstbildung: sowohl Tumorgebilde der Papille, des Gallenganges, aber auch der eng benachbarten Bauchspeicheldrüse können für eine ausgeprägte Abflussbehinderung der Galleflüssigkeit, teilweise auch ohne Entzündung, sorgen.

Diagnostik

  • Der erste Untersuchungsschritt: An erster Stelle bei Verdacht auf ein Gallensteinleiden wird heute die Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes durchgeführt. Mit der Methode können sowohl Gallensteine festgestellt als auch die mögliche Erweiterung des Gallenganges gemessen werden. Bei akuten Entzündungen lässt sich eine Verdickung der Gallenblasenwand ermitteln. Zusätzlich kann per Blutentnahme die Erhebung spezieller Leberwerte und der Entzündungswerte Aufschluss geben und weitere Untersuchungsschritte nach sich ziehen. In manchen Fällen kann als weiterer Schritt eine Computertomographie als röntgenologische Methode zur Erweiterung der Untersuchung sinnvoll sein.
  • Der zweite Untersuchungsschritt: Bei Zeichen eines Verschlussikterus kann im nächsten Schritt eine neuere Bildgebungstechnik – die Kernspintomographie (MRCP) – eingesetzt werden. Mit ihr kann die Ursache weiter eingegrenzt werden, insbesondere lassen sich sowohl Steine als auch Tumorbildungen nachweisen. Alternativ kann hier auch die sogenannte ERCP als endoskopische Untersuchungsmethode verwendet werden, die gleichzeitig eine Behandlungsmöglichkeit bietet (s. Therapie)
  • Der dritte Untersuchungsschritt: bei unklaren Galleabflussstörungen kann diagnostisch der endoskopische Ultraschall eingesetzt werden: wie bei einer Magenspiegelung führt der Untersucher das Spezialendoskop mit dem Schallkopf an der Spitze unter Sicht bis in den Zwölffingerdarm. Dort kann dann mit Ultraschall das benachbarte Gewebe beurteilt werden. im speziellen Fall kann der Untersucher durch eine Ultraschall gesteuerte Punktion Zellen zur mikroskopischen Beurteilung gewinnen. Besonders geeignet ist das Untersuchungsverfahren, wenn unklare Beschwerden auf die Bauschspeicheldrüse zu beziehen sind.
  • Ergänzende Diagnostik: Beschwerden im Oberbauch können auch andere Ursachen haben. So kann ein Geschwür im Magen oder Zwölffingerdarm selten ähnliche Beschwerden verursachen wie beim Gallensteinleiden. In diesen Fällen ist eine zusätzliche Magenspiegelung sinnvoll, insbesondere, wenn die Gallensteine nicht eindeutig sind.

Therapien/ Behandlung

Wann sollte man etwas tun?

  • Gallensteine (ohne Leiden): Wenn keinerlei Beschwerden oder auffällige Laborveränderungen vorliegen, bleibt es bei einer Beobachtung. Auch nur geringfügige Beschwerden geben eine Berechtigung (keine zwingende Notwendigkeit) für die Gallenblasenentfernung als Wahleingriff. Auch vor längeren Auslandaufenthalten sollte die Indikation zur Gallenblasenentfernung großzügig gestellt werden.
  • Gallensteinleiden:
    • Koliken: Die Schmerzsymptome einer Gallenkolik veranlassen den Patienten, einen Arzt aufzusuchen. Mit Vermeidung Kolik auslösender Speisen können die Beschwerden seltener auftreten, sicherer ist hier jedoch die Gallenblasenoperation unter Entfernung der Gallenblase einschließlich der Gallensteine.
    • „Akute Galle“: bei Diagnose einer akuten Gallenblasenentzündung steht an erster Stelle die Gabe von Antibiotika, gefolgt von der baldigen Gallenblasenoperation. Diese kann auch notfallmäßig erforderlich sein, wenn Zeichen der Bauchfellentzündung eintreten.
    • Cholangitis: Hier steht im Vordergrund nach der sorgfältigen Ursachenklärung die Beseitigung des Abflusshindernisses. Auch hier werden Antibiotika verabreicht.
      • Steine im Gallengang: nach meist Einkerbung des Papillenschließmuskels können Gangsteine mit einem Körbchen endoskopisch geborgen werden. Dazu ist neben der Endoskopie eine Röntgendurchleuchtung mit Kontrastmitteleinspritzung in den Gallengang erforderlich (ERCP).
      • Papillensklerose: nach Einkerbung narbigen Enge und evtl. Gewinnung einer Gewebeprobe können Plastikröhrchen in den Gallengang eingeführt werden, die den Abfluss in den Zwölffingerdarm ermöglichen.
      • Geschwulstbildung: nach genauer Festlegung der Ursache ist häufig eine umfangreiche offene Bauchoperation notwendig, die den Tumor weiträumig unter Einschluss der Lymphbahnen erfasst. Damit kann auch die Mitentfernung benachbarter Gewebe und Organe eingeschlossen sein, um letztendlich eine Heilung zu ermöglichen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

  • Wahleingriff (elektiv): Gallensteine, die zufällig entdeckt werden und nur geringfügige Beschwerden verursachen, können zu einer passenden Gelegenheit operativ angegangen werden
  • Dringlich: Die akute Cholezystitis und alle Situationen mit mechanischer Galleabflussbehinderung stellen dringlich zu behandelnde Erkrankungssituationen dar.
  • Notfall: Die (beginnende) Bauchfellentzündung, meist einhergehend mit stärksten Schmerzen und auffälligen Untersuchungsbefunden, stellt eine Situation für einen operativen Notfalleingriff dar. Allerdings werden häufig starke Kolikschmerzen schon zum Notfallereignis, das eine medikamentöse Behandlung der Schmerzsymptomatik erfordert.
  • „Therapeutisches Splitting“: Werden im Rahmen eines Gallensteinleidens auch Gallengangsteine festgestellt, wird das Vorgehen auf zwei unterschiedliche Behandlungsschritte aufgeteilt: zunächst wird in der Endoskopieabteilung per ERCP (s.o.) der Hautgallengang bereinigt, an einem zweiten Termin erfolgt der die Gallenblasenoperation im chirurgischen Operationssaal.

Was kann man dagegen tun?

  • Konservativ ohne Operation? Gallenblasensteine ohne Operation zu behandeln ist heute weitgehend verlassen worden. Da die Verfahren zur Steinauflösung oder Steinzertrümmerung lange Behandlungszeiten, eine Langzeitmedikation und keine Sicherheit dafür bieten, dass Steine erneut gebildet werden
  • Operation? Ja! Sinnvoll, da das Organ Gallenblase, in dem die Steine in der Regel entstehen, komplett entfernt wird, ohne dass Störungen im Verdauungssystem verbleiben – im Klartext: das nicht mehr funktionierende und Störungen / Schmerzen verursachende Organ Gallenblase wird beseitigt.

Wie – welche Operationsprinzipien gibt es?

  • Offene Schnittoperation: über eine quere oder schräge Bauchwandinzision am rechten Oberbauch wird die Gallenblase in konventioneller Technik herauspräpariert. Dieses Verfahren war über Jahrzehnte der Standard. Es kommt auch heute noch zur Anwendung, wenn ausgedehnte Verwachsungen nach Voroperationen die Schlüssellochoperation unmöglich machen. Wenn eine ERCP zur Steinbergung aus dem Gallengang nicht gelingt, muss im Rahmen der offenen Schnittoperation zusätzlich der Gallengang gesäubert werden.
  • Laparoskopische Cholezystektomie: die Entfernung der Gallenblase mittels „Schlüssellochoperation“ ist heute der „Gold-Standard“(mehr als 90 %): über 3 – 4 kleine Minischnitte werden Instrumentenhülsen mit Ventilkappen (Trokare) unter Bildschirmsicht mittels einer Videokamera und einer Kaltlichtquelle in den Bauchfellraum (Peritonealhöhle) eingeführt. Die spaltförmige Bauchhöhle wird durch dosierte Gaseinleitung (Kohlendioxyd) entfaltet, so dass in dem entstandenem Raum mit feinsten Instrumenten operiert werden kann. Die Blutversorgung der Gallenblase und der Verbindungsweg zum Hautgallengang wird abgeklippt, anschließend kann das Organ aus dem Leberbett möglichst bluttrocken und unversehrt herausgeschält und schließlich am Nabelschnitt in einem Bergebeutel geborgen werden. In einigen Fällen wird eine Drainage zur Ableitung von Wundsekret eingelegt.
Die minimal-invasive Gallenblasenoperation von heute?
  • Geringe Anzahl intra- und postoperativer Komplikationen, kaum noch Wundheilungsprobleme
  • hoher Patientenkomfort durch kurzstationäre schmerzarme Operation und schnelle Belastbarkeit nach kurzer Schonung
  • Selten aber gefährlich: Verletzung des Hauptgallenganges bei der Operation (2004 in Deutschland 0,14 %)
  • Sterblichkeit ist äußerst gering (2006 in Deutschland 0,36%), aber nicht Null.
  • Alle Gallenblasenoperationen in Deutschland unterliegen einer Qualitätssicherung

Das eigene Konzept

  • Versorgung nach einem geplantem Behandlungsablauf mit Aufnahme am OP-Tag
  • Essen und Trinken am Abend der OP
  • Am 2. Tag nach der Operation Entlassung nach Kontrolle der Laborwerte und Sonographiekontrolle des Operationsgebietes
  • Kein Fadenzug erforderlich, da auflösbare Hautfäden verwendet werden
Rehabilitation – was kommt nach der Operation
  • Nach einer laparoskopischen Gallenblasenoperation 1 – 2 Wochen Schonung, orientiert an den postoperativen Restbeschwerden, dann leichte Tätigkeiten bereits möglich.
  • Erfahrungsgemäß volle Einsatzfähigkeit und Belastbarkeit nach ca. 3 – 4 Wochen
  • Fadenzug nicht erforderlich, da resorbierbare Hautnähte verwendet werden
  • Wasserkontakt (Duschen) ab 2. Post-OP-Tag ohne Verband erlaubt.
  • Keine „Gallediät“, es kann in vernünftigem Maße alles gegessen werden.

Ärztlicher Rat

  • Koliken und Oberbauchbeschwerden können Anzeichen eines Gallensteinleidens sein.
  • Bei Auftreten von Fieber und andauernden Beschwerden suchen Sie Ihren Arzt auf.
  • Stellen Sie oder Ihre Angehörigen bei Ihnen Zeichen einer Gelbsucht fest, beobachten Sie die Farbe Ihres Urins und des Stuhles – suchen sie Ihren Arzt auf.
  • Auch fehlende Schmerzen schließen dabei ein eine ernste Erkrankung nicht aus

Neue Entwicklungen

NOTES ist die Abkürzung für Natural Orifice Translumenal Endoscopic Surgery (auf deutsch etwa: endoskopische Operation durch natürliche Öffnungen).

  • Es handelt sich um ein Operationsverfahren, das eine Weiterentwicklung der minimal-invasiven Schlüssellochchirurgie und der Endoskopie des Magen-Darm-Spezialisten darstellt.
  • Bei der Laparoskopie werden mittels kleiner Schnitte Instrumente in den Körper eingeführt, so werden größere Öffnungen vermieden (Minimal-invasive-Chirurgie) (s.o.).
  • Die NOTES verändert die Technik dahin, dass die Instrumente durch Mund, After oder Vagina eingeführt werden. Über einen kleinen Einschnitt in Speiseröhre, Magen, Darm oder Vagina kann der Arzt das eigentliche Operationsgebiet, beispielsweise die Gallenblase erreichen.
  • Nach erfolgter Operation wird der Einschnitt mit Naht oder Klammern wieder verschlossen.

Die SINGLEPORT-Technik verwendet einen einzigen Zugang zur Bauchhöhle am Nabel. Durch diesen einzigen können mehrere Instrumente eingeführt werden.

  • Möglicher Vorteil: keine weiteren Schnitte erforderlich, dadurch bessere Kosmetik
  • Mögliche Nachteile: Der Schnitt am Nabel ist mindestens 3 cm im Durchmesser, hier kann später ein Narbenbuch entstehen. Die Durchführung der Operation erfordert spezielle Übung.

 

Dr. med. Lutz Steinmüller